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Rufmord in Kleinöd

Kriminalroman, Kleinöd-Krimis 4

Erschienen am 01.01.2010
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783492257442
Sprache: Deutsch
Umfang: 314 S.
Format (T/L/B): 2.5 x 19 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Autorenportrait

Katharina Gerwens wuchs in einem Dorf im Münsterland auf. Nach ihrer Ausbildung zur Journalistin arbeitete sie in verschiedenen Verlagen und ist heute als freie Autorin tätig. Sie lebt mit Mann und Kater in Niederbayern. Gemeinsam mit Herbert Schröger verfasste sie die Niederbayern-Krimis »Stille Post in Kleinöd«, »Die Gurkenflieger von Kleinöd«, »Anpfiff in Kleinöd«, »Rufmord in Kleinöd« und »Selig in Kleinöd« sowie zuletzt allein die beiden Westfalen-Krimis »Schürzenjäger« und »Westfälische Affären«. »Die letzte Brezn« ist der Auftakt einer neuen Krimireihe, die im Bayerischen Wald spielt.

Leseprobe

Kapitel 1 Niemand machte ihm deswegen einen Vorwurf, aber er sollte sich ein Leben lang schuldig fühlen, weil er an diesem einen Tag nicht aufgepasst hatte und deshalb das Rätsel um die Herkunft des Fremden nicht schneller gelöst werden konnte. Dabei hätte es ihm doch auffallen müssen, dass da plötzlich einer in seinem Schulbus saß, der da gar nicht hingehörte. Er konnte sich auch dann nicht an ihn erinnern, als man ihm genau sieben Tage später Fotos der Leiche zeigte. Die Kinder behaupteten hinterher, bereits an der Haltestelle bei der Zuckerfabrik habe der Mann auf der Fahrerseite in der vorletzten Bank gesessen, eng ans Fenster gedrückt und so konzentriert nach draußen schauend, als suche er etwas oder jemanden. Der Busfahrer konnte sich einfach nicht erklären, wie er ihn hatte übersehen können. Wofür er jedoch seine Hand ins Feuer gelegt hätte, war die Tatsache, dass der Bus in Tabertshausen noch leer gewesen war, schließlich übte er auf dieser Strecke - natürlich nur, wenn er allein war - für das geplante Sommer-Song-Festival der Freilichtbühne in Eggenfelden, und er hatte sich an jenem Donnerstag das Lucio-Dalla-Lied 'Te voglio bene assai' in den Rekorder geschoben und inbrünstig mitgeschmettert. Kurz vor dem Friedhof Plattling war er an genau jene Stelle gekommen, die die meergrünen Augen eines weinenden Mädchens beschreibt, was die Stimme des Interpreten in eine sentimentale Kipplage zu bringen hatte, und mit Tränen in den Augenwinkeln hatte er den Part schnell zu Ende gesungen, bevor er den Bus zum Stehen und seine Stimme zum Schweigen brachte. In der Nähe des Friedhofs waren dann die ersten Schulkinder eingestiegen. Er hatte auf Bayern 3 umgeschaltet und geschwiegen, war konzentriert weitergefahren und hatte im Zehnminutentakt weitere Grüppchen von Schülern aufgenommen. Enger und lauter war es in dem Bus geworden, bis das Zusteigen von Kindern in der Höhe von Wallerfing seinen Gipfelpunkt erreicht hatte: Jetzt hatte er für die nächsten zehn Minuten ein Gefährt voller johlender, lachender und lauthals miteinander schwätzender Schülerinnen und Schüler kutschiert, aber Blicke in den Rückspiegel hatten ihn beruhigt: Gerauft wurde da nicht. Eigenartig, dass er auch bei diesen Kontrollblicken den Fremden in der vorletzten Bank nicht wahrgenommen hatte. Nächtelang sollte er darüber nachdenken und verzweifelt nach einer Erklärung suchen. Warum hatte er ihn nur übersehen? Und was alles in seinem Leben übersah er sonst noch, nur weil er nicht damit rechnete? An der Grundschule von Pankofen waren die Schwestern Laura und Rosa Blumentritt zugestiegen und hatten ihn freundlich gegrüßt. Sie waren die Einzigen, die von seinem Traum, ein großer Opernstar zu werden, wussten, da er einmal wöchentlich von ihrer italienischen Mutter Gesangsunterricht erhielt und dazu neigte, an diesen Nachmittagen mit italienischen Vokabeln zu renommieren. Gelegentlich rief ihm die achtjährige Rosa beim Einsteigen ein 'Buon giorno' zu, und die zehnjährige Laura verabschiedete sich in Kleinöd gern mit dem Wort 'Arrivederla'. Er nickte dann wohlwollend und murmelte leicht errötend: 'Ciao, bella.' Im gleichen Rhythmus, wie der Bus die Kinder einge­laden hatte, spuckte er sie wieder aus, und der Lärmpegel ebbte ab. Laura Blumentritt sollte später erzählen, dass sie an diesem Tag gegen einen Fremden gedrückt worden war, der unbeweglich auf seinem Platz gesessen und stur aus dem Fenster gestarrt hatte. Es sei ein Mann mit Glatze ge­wesen, Hals, Hände und Unterarme seien mit blauen Zeichnungen tätowiert gewesen. Fasziniert hatte sie ihn angestarrt und gesehen, dass er überall Ringe und kleine Schmuckstücke trug: Herzchen, Anker und stilisierte Blütenblätter. 'Der muss völlig durchlöchert sein', vertraute sie ihrer Schwester auf dem Heimweg an und stellte sich vor, dass das Wasser in der Badewanne oder im Schwimmbad durch ihn hindurchfließe, als sei er ein Sieb: Nasenringe, Lippenringe, Ohrringe, sogar in den Ohrmuscheln, an den Augenbrauen und im Mund­

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